25 Jahre Liebe
Alexander war ein Verehrer von diesem Schriftsteller. Nicht seit seinen Deutschstunden verehrte Alexander diesen Autor, sondern, seit dieser Autor seine „Deutschstunde" schrieb. Siegfried Lenz war und ist der von Alexander Verehrte. Selbst als Alexander längst aus seinem eigenen Lenz ins Mittelalter wechselte, blieb diese heimliche Zuneigung zu Siegfried Lenz. Jetzt weiß ich den wahren Grund: Sie hängt mit dem Hochzeitstag zusammen, den Alexander und seine Frau in diesen Tagen feiern. Es war in Bevensen Anfang der 70er Jahre, als dieses mit dem stolzen Bad im Kindesalter war, aber dennoch schon eine stolze Halle hatte. In diese Halle strömte alles, was Beine, Ohren und Neugier besaß- und außer- dem Siegfried Lenz mochte, der an jenem Abend las. Alexander gehörte zu denen, die ihn verehrten- und außerdem ein Mädchen, das er zu der Lesung einlud. Natürlich wollte Alexander, daß dies Mädchen den Autor persönlich kennenlernte zwecks Bildung also. Zweitens wollte Alexander, aber noch viel mehr von dem Mädchen als nur Bildung. Die Lesung wurde gelesen und hinterher schlängelte sich jene Schlange vor dem Tisch, hinter dem freundlich und geduldig wirkende berühmte Mann saß und seine Bücher signierte. Als vor ihm in der Schlange jemand einen Namen außer der Signatur in das Buch erbat, überfiel Alexander eine Idee, eine im Grunde schlimme Idee. „Würden Sie," bat er den Autor, von dem aufgrund der letzten Stunde nun auch das Mädchen mehr hielt, als es Alexander in seinem Zustand lieb war, ,,würden Sie auch hierein eine persönliche Widmung schreiben?" Und der freundlich-geduldige Siegfried Lenz nickte freundlich und geduldig und fragte: „Für wen bitte?" Alexander liebte das Mädchen seiner schlaflosen Nächte zwar, er siezte die junge Dame, war auf Distanz. In diesem Augen- blick am Anfang der Schlange ließ er die Distanz und sie ließ ihn. Ja, Alexander bat den ahnungslosen Lenz den Vornamen seiner Angebeteten hineinzuschreiben und seinen, Alexanders, Nachnamen....Und Lenz schrieb. Er schrieb als erster und zum ersten Mal den Vornamen des Mädchens mit dem Nachnamen des Mannes zusammen, der später auch ihr Mann wurde. Was in diesem Augenblick geschah; einer der großen Gegenwartsdichter spielte Standesbeamter - ohne eigenes Wissen und ohne das des Mädchens. Das Mädchen nahm das Buch stolz und dankbar und ahnungslos entgegen - um erst später beim Aufschlagen zunächst entsetzt, noch später in der Nacht nachdenklich, morgens dann amüsiert zu sein. Und verliebt. Alexander hat Siegfried Lenz jetzt wieder getroffen. Und ihm den Gebrauch seiner Person damals gebeichtet, die Instrumentalisierung seiner Prominenz. Doch der silberhaarig gewordene große Denker freute sich nur mit, daß die damals literarisch gestiftete Ehe eine Liebe wurde. Bis heute. Und in diesen Tagen feiern sie fast 25 Jahre Liebe.
14. März 1995